AUS DEM NEST GEWORFEN
von Annett Büchenbacher
Ein Mann in seinen Mittvierzigern erinnert sich an eine Kindheit, die zu verdrängen er vergeblich versucht hat; rekonstruiert: wie das wohl war damals, als seine Mutter ihn als 14 Tage alten Säugling zusammen mit dem 11 Monate älteren Bruder zur Kurzpflege abgegeben und sie beide jahrelang nicht abgeholt hat, bis das Jugendamt darauf aufmerksam wurde. Was war passiert, als die Beiden - nach kurzer Heimunterbringung durch die Mutter - zurück zu den Stiefeltern kamen und der Alltag nunmehr nicht nur von Schlägen, sondern ebenso von Arbeit und Demütigung gezeichnet wurde. Welche Strategien hat er, welche sein Bruder entwickelt, diesem Leben zu begegnen. Matthias Horn verleiht dabei nicht nur dem aus dem Nest Geworfenen Stimme, er lässt auch das mächtige Organ des Stiefvaters erdröhnen und das Jugendamt zartbitter nachforschen. „Aus dem Nest geworfen“ spiegelt den ebenso unerschöpflichen, wie unerklärlichen Einfallsreichtum erwachsener Menschen in der Demonstration ihrer Macht gegenüber ihnen anvertrauten Kindern und verweist auf die Indifferenz der Erwachsenen gegenüber den Wachsenden. Es gibt eine Ahnung vom Wegsehen der Nachbarn, Lehrer, Verwandten und Bekannten.
Ein Soloabend mit scharfen Konturen und Super8-Einspielungen, ein Abend, der sensibilisiert und vielleicht für breitere Aufmerksamkeit und Verständnis sorgen kann.